Gastbeitrag: Embodied Leadership – Mensch sein in Bewegung.
Leadership – ein Wort, das häufig mit Durchsetzung, Strategie oder Kontrolle verknüpft wird. Doch die Menschen, die mich wirklich geprägt haben, wirkten anders.
Sie hielten Spannungen aus, ohne ihnen auszuweichen. Sie öffneten Räume, in denen Transparenz möglich war – wo Wahrheit und Verletzlichkeit nebeneinander bestehen durften. Was sie auszeichnete, war nicht die Anpassung an vorgefertigte Konzepte, sondern die Konsequenz, ihrer inneren Haltung treu zu bleiben – authentisch, reflektiert und präsent.
Sie gingen Spannungen nicht aus dem Weg, sondern hielten sie bewusst aus. Sie eröffneten Räume, in denen Offenheit möglich war – in denen auch Verletzlichkeit einen selbstverständlichen Platz hatte. Sie orientierten sich nicht blind an Methoden, Labels oder Dogmen, sondern blieben ihrer inneren Haltung verpflichtet.
Statt sich von äußeren Strömungen lenken zu lassen, fragten sie: Was dient wirklich – den Menschen und dem größeren Ganzen, das durch uns wirkt?
In der Zusammenarbeit spürt man schnell: Vertrauen entsteht nicht durch Perfektion, sondern durch Präsenz. Nicht durch Antworten, sondern durch ein echtes Dasein. Ehrlich. Offen. Bereit, auch das Unklare anzusprechen – nicht, um zu glänzen, sondern um Verbindung möglich zu machen.
Was sich zeigen darf, kann gehalten werden. Und was gehalten wird, verändert sich – manchmal leise, aber kraftvoll.
Gerade in Zeiten, in denen Sicherheit zur Sehnsucht geworden ist, wächst auch der Wunsch nach echter Begegnung. Doch Leadership – oder Facilitation – bedeutet nicht, Unsicherheit zu vermeiden, sondern darin Raum zu schaffen – für das, was da ist. Auch wenn es reibt. Auch wenn es keine schnellen Antworten gibt.
Leadership bedeutet auch, sich selbst nicht außen vor zu lassen. Nicht nur den Raum zu halten, sondern sich als Teil davon zu zeigen. Nicht als fertige Figur, sondern als Mensch – mit Klarheit, mit Zweifeln, mit dem Mut, nicht alles zu wissen. Denn wie sollen Vertrauen und Echtheit entstehen, wenn die, die führen, sich selbst entziehen?
Ob im Tanz, im Dialog, in Teams oder gesellschaftlichen Prozessen: Wir brauchen Räume, die nicht glatt sind – aber tragfähig. Die nicht immer bequem sind – aber ehrlich. Räume, in denen Tiefe entstehen darf, nicht trotz, sondern wegen der Unvollkommenheit. Wo auch das Unklare, das Rohe einen Platz hat – ohne weggedrückt, aber auch ohne überhöht zu werden.
Denn wir sehnen uns nicht nur nach Halt – sondern auch nach Leichtigkeit. Nach Klarheit. Nach Freude. Doch oft führt der Weg dorthin über ein paar Schleier, die wir ehrlich anschauen müssen, bevor sie sich lüften lassen.
Führung zeigt sich nicht durch Souveränität allein – sondern durch die Bereitschaft, zu bleiben. Ansprechbar. Verwundbar. Klar – auch im Nichtwissen.
Denn wie sollen wir lernen, mit Wirklichkeit zu leben, wenn wir das Echte ständig umschiffen?
Viele wünschen sich Veränderung, Tiefe, Authentizität – aber möglichst ohne Kontrollverlust. Doch Nähe entsteht dort, wo wir uns zeigen – nicht geschönt und ohne Weichzeichnereffekt.
Leadership, die das erkennt, muss nichts inszenieren. Sie schafft Räume, in denen wir atmen können. Menschlich sein dürfen. Mit Widersprüchen, Emotionen – aber auch mit Humor, Leichtigkeit und Neugier. Wo Bewertungen in Neugier verwandelt werden dürfen.
In einer Gesellschaft, die oft Leistung in den Mittelpunkt stellt, werden kollektives Spüren, Zuhören und Ko-Regulation zu Schlüsselkompetenzen. Denn was vor uns liegt, lässt sich nicht allein bewältigen – sondern nur gemeinsam tragen.
Vielleicht beginnt embodied leadership genau dort: Wo jemand innehält. Nicht sofort weiß. Aber bereit ist zu bleiben.
Und sagt: „Ich sehe dich.“
EVENTS VON UND MIT BEATRICE KRAUS