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One Health: Der vergessene Zusammenhang zwischen Mensch, Tier und Natur

Unsere Gesundheit ist kein isoliertes Phänomen. Sie ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels zwischen uns, den Tieren und unserer Umwelt. Diese Erkenntnis steckt hinter dem Konzept von One Health – einer Idee, die Gesundheit ganzheitlich denkt und die untrennbaren Verbindungen zwischen Mensch, Tier und Natur anerkennt. Während Wissenschaft und internationale Organisationen diesen Ansatz zunehmend betonen, stehen wirtschaftliche und politische Interessen oft im Widerspruch dazu.

Was bedeutet One Health?

One Health ist ein interdisziplinärer Ansatz, der darauf abzielt, Gesundheitsrisiken frühzeitig zu erkennen und zu bekämpfen, indem Menschen-, Tier- und Umweltmedizin zusammenarbeiten. Er umfasst unter anderem:

  • Infektionskrankheiten verstehen: Rund 75 Prozent aller neu auftretenden Infektionskrankheiten beim Menschen stammen ursprünglich von Tieren – sogenannte Zoonosen wie COVID-19, Ebola oder die Vogelgrippe. Die Art und Weise, wie wir mit Tieren umgehen, beeinflusst also direkt unsere eigene Gesundheit.
  • Antibiotikaresistenzen eindämmen: Der massive Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung trägt zur Entwicklung resistenter Keime bei, die auch für den Menschen eine Herausforderung darstellen.
  • Umweltverschmutzung als Gesundheitsrisiko: Luftverschmutzung, mit Pestiziden belastete Böden und verseuchte Gewässer schaden nicht nur der Natur, sondern wirken sich auch auf das Immunsystem, Organe und die Lebenserwartung der Menschen aus.

Die Realität: Zerstörung statt Zusammenarbeit

Theorie und Praxis klaffen jedoch erschreckend auseinander. Während One Health eigentlich eine ökologische Wende erfordert, verfolgen Wirtschaft und Politik eine Richtung, die Gesundheit, Natur und Tiere immer weiter voneinander trennt – zugunsten der Industrie.

  • Die Rolle der Pharmaindustrie Der Fokus der Pharmaindustrie liegt stark auf der Entwicklung neuer Medikamente, während präventive Maßnahmen, die auf langfristige Gesundheit zielen, weniger Aufmerksamkeit erhalten. Die Forschung zu Umweltgiften und deren Einfluss auf die menschliche Gesundheit bleibt unterfinanziert.
  • Die Lebensmittelindustrie Die industrielle Landwirtschaft beeinflusst nicht nur die Umwelt, sondern auch die menschliche Gesundheit. Der Einsatz von Pestiziden, Massentierhaltung und hochverarbeitete Lebensmittel stehen im Widerspruch zu einem nachhaltigen Gesundheitssystem.
  • Die Chemie- und Plastikindustrie Chemische Schadstoffe in Verpackungen, Kleidung und Alltagsgegenständen können sich in der Umwelt und im menschlichen Körper ansammeln. Mikroplastik wurde bereits in Lebensmitteln, Trinkwasser und sogar im menschlichen Blut nachgewiesen, mit noch unbekannten langfristigen Folgen.
  • Die Transport- und Logistikbranche Der weltweite Handel und Transport von Waren trägt erheblich zur Umweltverschmutzung bei. Emissionen aus dem Schiffs- und Luftverkehr führen zur Verschlechterung der Luftqualität, während Abgase und Lärm nachweislich gesundheitliche Schäden verursachen.
  • Die Bau- und Immobilienindustrie Der großflächige Flächenverbrauch für Städtebau und Infrastrukturen führt zur Zerstörung natürlicher Ökosysteme und Lebensräume. Versiegelte Flächen erhöhen das Risiko von Überschwemmungen, beeinträchtigen die Luftqualität und reduzieren die natürliche Biodiversität.
  • Die Mode- und Textilindustrie Der hohe Wasserverbrauch und der Einsatz giftiger Chemikalien in der Textilproduktion belasten Böden, Flüsse und Meere. Zudem werden viele Kleidungsstücke unter Bedingungen hergestellt, die sowohl gesundheitlich als auch ethisch bedenklich sind.
  • Politische Steuerung Mit großem Pomp wurde der neue EU-Wettbewerbskompass vorgestellt – angeblich eine Strategie für nachhaltige Entwicklung. Doch wer genauer hinsieht, erkennt schnell: Er richtet sich einzig an die Industrie. Es geht um Wirtschaftswachstum, nicht um ökologische Balance oder nachhaltige Gesundheitssysteme. Die Interessen von Umwelt und Gesundheit werden in der Sprache der Bürokratie auf schöne Worte reduziert, während das Wirtschaftssystem genau so weiterläuft wie bisher.

Warum One Health die Zukunft sein muss

Wir können es uns nicht leisten, Gesundheit isoliert zu betrachten. One Health ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.

  • Wir müssen Massentierhaltung drastisch reduzieren, um resistente Keime und neue Infektionskrankheiten zu verhindern. Die derzeitige industrielle Tierhaltung fördert nicht nur das Leiden von Milliarden von Tieren, sondern trägt auch zur Verbreitung von Zoonosen bei, die potenziell tödlich für den Menschen sein können.
  • Unsere Landwirtschaft muss wieder in Einklang mit der Natur stehen, statt Böden und Wasser mit Chemikalien zu vergiften. Nachhaltige Landwirtschaftsmethoden wie regenerative Landwirtschaft, Agroforstsysteme und Permakultur können die Bodenfruchtbarkeit erhalten und den Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger reduzieren.
  • Die Politik muss Gesundheit und Umwelt in wirtschaftliche Entscheidungen einbeziehen, statt sich nur an den Interessen der Industrie zu orientieren. Gesetzliche Regulierungen müssen eingeführt werden, um Unternehmen dazu zu zwingen, umweltfreundlichere und gesundheitsbewusstere Entscheidungen zu treffen.
  • Biodiversität muss geschützt und gefördert werden, um natürliche Schutzmechanismen gegen Krankheiten zu bewahren. Eine intakte Natur reduziert das Risiko von Pandemien, indem sie das Gleichgewicht zwischen Arten und Ökosystemen erhält.
  • Ein Wandel im Gesundheitswesen ist erforderlich, um präventive Maßnahmen stärker zu fördern. Gesundheitssysteme müssen sich auf ganzheitliche Betrachtung und Vorbeugung statt auf rein kurative Maßnahmen konzentrieren. Das bedeutet auch, mehr in Aufklärung und Forschung zu investieren, die die Wechselwirkungen zwischen Mensch, Tier und Umwelt berücksichtigt.

Was kann der Einzelne tun?

Jeder Einzelne kann dazu beitragen, den One Health-Ansatz in den Alltag zu integrieren:

  • Nachhaltige Ernährung: Der Konsum von regionalen, saisonalen und ökologisch produzierten Lebensmitteln kann die Umwelt schonen und die eigene Gesundheit fördern.
  • Reduzierung von Antibiotika im Alltag: Bewusster Umgang mit Medikamenten und Verzicht auf Fleisch aus Massentierhaltung helfen, Antibiotikaresistenzen zu minimieren.
  • Bewusster Konsum: Die Unterstützung von Unternehmen, die nachhaltige Produktionsmethoden einsetzen, trägt langfristig zu positiven Veränderungen bei.
  • Politisches Engagement: Bürgerinnen und Bürger können sich für politische Maßnahmen starkmachen, die Gesundheit und Umwelt gleichermaßen berücksichtigen.

Ein neues Denken ist gefragt

One Health bietet eine wichtige Perspektive für eine nachhaltigere Zukunft, doch die Umsetzung bleibt eine Herausforderung. Sowohl politische Entscheidungsträger als auch Wirtschaft und Gesellschaft sind gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Ein integrierter Ansatz, der Gesundheit, Umwelt- und Tierschutz gemeinsam betrachtet, könnte langfristig zu besseren Lösungen führen. Die Frage ist nicht, ob wir diesen Weg gehen wollen, sondern ob wir es uns leisten können, es nicht zu tun.

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