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Die Bedeutung des Moments – Realität und die Illusion von Vergangenheit und Zukunft aus Sicht der Achtsamkeit

“Wir leben immer nur im gegenwärtigen Augenblick. Doch wir lassen ihn vergehen, als wäre er bedeutungslos, weil wir uns nach etwas sehnen, das noch kommt, oder etwas betrauern, das vergangen ist.” – Thích Nhất Hạnh

Die Achtsamkeit lehrt uns, dass die einzige Realität, die wir je erfahren können, der gegenwärtige Moment ist. Vergangenheit und Zukunft existieren lediglich als Konstrukte unseres Geistes, als Begriffe, die wir nutzen, um unsere Erfahrungen zu ordnen. Doch was bedeutet das wirklich? Wie verändert dieses Verständnis unser Verhältnis zur Wirklichkeit? Und was sagen Philosophen über die Illusion der Zeit?

Vergangenheit und Zukunft – Begriffe ohne Substanz?

„Die Gegenwart ist die einzige Zeit, die wirklich ist.“ – Arthur Schopenhauer

Vergangenheit und Zukunft sind keine real existierenden Entitäten, sondern gedankliche Konzepte. Die Vergangenheit ist nur eine Ansammlung von Erinnerungen, die in unserem Bewusstsein auftauchen, während die Zukunft nichts weiter als eine Projektion unserer Erwartungen ist. Wir können die Vergangenheit nicht berühren, nicht zurückkehren. Ebenso wenig können wir in die Zukunft reisen, denn wenn sie eintritt, geschieht sie immer im Jetzt.

Der französische Philosoph Henri Bergson argumentierte, dass Zeit nicht als lineare Abfolge von Momenten existiert, sondern als eine ununterbrochene Dauer (la durée), die nur durch unser Bewusstsein in einzelne „Vergangenheiten“ und „Zukünfte“ aufgeteilt wird.

Diese Erkenntnis hat tiefgreifende Konsequenzen: Wenn Vergangenheit und Zukunft nur Konstrukte sind, dann ist unser einziges Wirkfeld die Gegenwart. Unser Leid entsteht oft dadurch, dass wir uns auf das konzentrieren, was bereits vorbei ist oder auf das, was noch nicht eingetreten ist. Das Paradoxe dabei ist, dass wir durch diesen gedanklichen Sprung den gegenwärtigen Moment – die einzige erfahrbare Realität – verpassen.


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Wie die Achtsamkeit das Verständnis der Realität verändert

“Denke nicht an das Vergangene, sorge dich nicht um die Zukunft. Konzentriere dich auf den gegenwärtigen Moment.” – Buddha

Die Achtsamkeit ist eine Praxis, die darauf abzielt, unsere Aufmerksamkeit voll und ganz auf das Hier und Jetzt zu richten. Anstatt in Erinnerungen oder Erwartungen gefangen zu sein, werden wir Zeuge dessen, was sich in diesem Moment entfaltet. Die Realität wird nicht mehr durch ein Konzept von „später“ oder „früher“ gefiltert, sondern unmittelbar erfahren.

Wenn wir bewusst atmen, essen oder gehen, dann erkennen wir, dass das Leben in diesen Handlungen selbst stattfindet – nicht in einem hypothetischen Morgen oder in einem vergangenen Gestern. Diese Art des Seins schafft Klarheit, Gelassenheit und eine tiefere Verbindung zur Welt.

Was bedeutet das für unser Verständnis von Realität?

„Zeit ist das, was verhindert, dass alles auf einmal passiert.“ – John Wheeler

Wenn wir akzeptieren, dass die Gegenwart die einzige reale Dimension ist, dann stellt sich die Frage, was das für unser Weltbild bedeutet. Ist die Zeit eine Illusion? Und wenn ja, wie definieren wir dann Realität?

Der Physiker Carlo Rovelli beschreibt in seinem Buch Die Ordnung der Zeit, dass die Zeit kein objektiver Bestandteil des Universums ist, sondern eine Relation zwischen Ereignissen. In einer Welt, in der Vergangenheit und Zukunft lediglich Perspektiven unseres Bewusstseins sind, ist die Realität nicht etwas, das in einer linearen Abfolge existiert, sondern ein Netz von miteinander verbundenen Momenten.

In der Quantenphysik gibt es keine absolute Zeit, nur Wahrscheinlichkeiten und Überlagerungen. Das passt bemerkenswert gut zu dem, was die Achtsamkeitspraxis lehrt: Realität ist kein starres Konstrukt, sondern eine fließende Bewegung, die sich immer im Jetzt manifestiert.

Praktische Achtsamkeit: Wie wir im Moment leben können

„Bewusstsein ist das Leben selbst.“ – Søren Kierkegaard

Das Verstehen der Gegenwart als einzige Wirklichkeit hat nicht nur philosophische, sondern auch ganz praktische Konsequenzen. Hier sind einige Wege, wie wir dieses Wissen in unser tägliches Leben integrieren können:

  1. Achtsame Wahrnehmung – Sich immer wieder daran erinnern, bewusst den gegenwärtigen Moment zu erleben, sei es beim Essen, Gehen oder Zuhören.
  2. Loslassen von Sorgen – Verstehen, dass Sorgen über die Zukunft oder Bedauern über die Vergangenheit nur Gedankenkonstrukte sind und nicht die Realität selbst.
  3. Meditation – Eine tägliche Meditationspraxis hilft, den Geist zu schulen und ihn immer wieder in die Gegenwart zurückzuführen.
  4. Bewusstes Atmen – Ein einfacher Fokus auf den Atem kann helfen, sich sofort im Moment zu verankern.
  5. Sich auf das Wesentliche konzentrieren – Wenn nur der Moment existiert, dann sollten wir ihn mit Dingen füllen, die Bedeutung haben.

Fazit: Das Leben geschieht jetzt

Die Idee, dass es keine Vergangenheit und Zukunft gibt, mag zunächst ungewohnt erscheinen, doch sie öffnet die Tür zu einem tieferen Verständnis von Realität. Statt in den Fesseln von Erinnerungen und Erwartungen zu verharren, können wir uns für die volle Erfahrung der Gegenwart entscheiden. Die Achtsamkeit lehrt uns, dass das Leben nicht woanders stattfindet, nicht morgen beginnt und nicht gestern verloren wurde – es ist immer nur hier, jetzt, in diesem einen, einzigartigen Moment.

„Die Zukunft interessiert mich nicht. Ich will leben.“ – Albert Camus

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