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Grundhaltungen der Achtsamkeit: Vertrauen – Die stille Kraft in uns

Vertrauen als Grundhaltung der Achtsamkeit

Achtsamkeit und Vertrauen gehören untrennbar zusammen. Vertrauen ist eine der grundlegenden Haltungen der Achtsamkeit – und zugleich eine der herausforderndsten. Es ist kein blinder Glaube, kein naives Sich-Fallenlassen, sondern eine tiefe innere Haltung, die sich nur langsam entfaltet. Vertrauen bedeutet, sich selbst, dem Leben und dem gegenwärtigen Moment mit Offenheit zu begegnen – auch wenn wir nicht wissen, was als Nächstes kommt.

Die Wurzel von Achtsamkeit und Vertrauen

Schon als Kinder lernen wir, wem oder was wir vertrauen können – oder auch nicht. Dieses frühe Erleben prägt unseren Blick auf die Welt: Wurde unser Vertrauen oft enttäuscht, entwickeln wir Schutzmechanismen, Zweifel, Misstrauen. Doch die Praxis der Achtsamkeit lädt uns ein, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Sie fordert uns heraus, der eigenen Erfahrung wieder zu trauen. Nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus innerer Klarheit heraus.

Jon Kabat-Zinn, der Begründer des MBSR-Programms (Mindfulness-Based Stress Reduction), nennt Vertrauen eine zentrale Grundhaltung der Achtsamkeit, weil sie das Fundament bildet, auf dem alle anderen Haltungen ruhen. Ohne Vertrauen ist keine Offenheit möglich – weder gegenüber der eigenen Innenwelt noch gegenüber dem, was uns im Außen begegnet.

Vertrauen ist ein Prozess

Vertrauen lässt sich nicht erzwingen. Es ist wie ein zartes Pflänzchen, das nur in einem nährenden Umfeld wächst. Und dieses Umfeld schaffen wir durch regelmäßige Achtsamkeitspraxis. Indem wir immer wieder innehalten, unseren Körper spüren, unseren Atem beobachten, unsere Gedanken wahrnehmen, üben wir uns in einem tiefen „Ja“ zum gegenwärtigen Moment. Dieses Ja ist der erste Schritt in das Vertrauen.

Achtsamkeit und Vertrauen bedeuten, mit Unsicherheit leben zu können, ohne in Panik zu geraten. Es heißt, der Wandelbarkeit des Lebens nicht nur standzuhalten, sondern sie zu bejahen. Oder wie Heraklit sagte: „Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ Vertrauen bedeutet, in diesem Wandel nicht unterzugehen, sondern in ihm schwimmen zu lernen.

Der innere Kompass: Vertrauen in sich selbst

Eines der größten Geschenke der Achtsamkeit ist die Rückverbindung mit der eigenen inneren Stimme. Viele Menschen haben im Laufe ihres Lebens verlernt, auf sich selbst zu hören. Sie vertrauen mehr auf äußere Autoritäten, auf Meinungen, auf Konzepte – doch nicht auf ihr eigenes Erleben. Achtsamkeit lehrt uns, wieder auf unser inneres Wissen zu vertrauen, auf unsere Intuition, unser Bauchgefühl.


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Der Philosoph Ralph Waldo Emerson formulierte es so: „Selbstvertrauen ist der erste Schritt zur Größe.“ Wenn wir lernen, unserer eigenen Wahrnehmung zu vertrauen, entstehen daraus Mut, Klarheit und Selbstrespekt. Und aus diesem Vertrauen in uns selbst kann Vertrauen in das Leben erwachsen.

Achtsamkeit bedeutet Vertrauen in die Erfahrung

Achtsamkeit bedeutet, sich mit dem vertraut zu machen, was ist – auch wenn es unangenehm oder schmerzhaft ist. Wir lernen, mit schwierigen Gefühlen zu sein, ohne sie sofort ändern zu müssen. In diesem Sein entwickelt sich ein tiefes Vertrauen in die Erfahrung selbst: dass sie kommt und wieder geht. Dass nichts bleibt, wie es ist. Dass wir gehalten sind – auch im Schmerz.

Der französische Philosoph Michel de Montaigne schrieb: „Ein Mensch, der seinem eigenen Urteil misstraut, ist verloren.“ Diese Worte erinnern uns daran, dass Vertrauen kein Luxus ist, sondern eine Notwendigkeit für seelisches Gleichgewicht. Es ist das Fundament für eine gesunde Beziehung zu uns selbst und zu anderen.

Vertrauen als Haltung für eine neue Welt

In einer Zeit, die von Kontrolle, Unsicherheit und Informationsflut geprägt ist, wirkt Vertrauen fast wie ein revolutionärer Akt. Es bedeutet, die Kontrolle ein Stück weit loszulassen und dem Fluss des Lebens zu vertrauen. Das erfordert Mut – aber es schenkt Freiheit.

Wenn wir lernen, uns selbst, unseren Empfindungen, unserem Körper, unserem Geist und dem Leben zu vertrauen, wird Achtsamkeit zur gelebten Realität. Achtsamkeit und Vertrauen sind dann keine idealistischen Konzepte mehr, sondern lebendige, tragende Kräfte im Alltag. Eine Haltung, die uns nicht entfernt von der Welt, sondern tiefer mit ihr verbindet.

Oder wie Søren Kierkegaard es formulierte: „Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts.“ Vertrauen bedeutet, diesen Schritt ins Ungewisse zu wagen – mit offenen Augen und einem offenen Herzen.


Übungen zu Achtsamkeit – Vertrauen

🌀 1. Die „Vertrauensatmung“ – Im Atem gehalten sein

Ziel: Verbindung mit dem Körpergefühl von Vertrauen.

Anleitung:
Setze dich aufrecht und entspannt hin. Schließe die Augen. Spüre den natürlichen Rhythmus deines Atems, ohne ihn verändern zu wollen. Stell dir bei jedem Einatmen vor, du nimmst Vertrauen in dich auf – warm, weich, tragend. Beim Ausatmen lässt du Anspannung, Kontrolle oder Zweifel los.
Wiederhole innerlich mit dem Atem:

Einatmen: „Ich atme Vertrauen ein.“
Ausatmen: „Ich lasse los.“
Verweile so für 5–10 Minuten. Beobachte, ob sich etwas in deiner Haltung oder deinem Körpergefühl verändert. Spürst du ein inneres „Ja“ zum Moment?


🌿 2. Die Vertrauensfrage – Intuition als innerer Kompass

Ziel: Vertrauen in die eigene Wahrnehmung und Entscheidungskraft stärken.

Anleitung:
Stelle dir eine aktuelle Frage oder Unsicherheit in deinem Leben. Schreibe sie auf. Dann schließe die Augen und verbinde dich mit deinem Körper – spüre Füße, Atem, Herzschlag.
Frage dich dann leise:

„Was weiß ich tief in mir – jenseits von Angst und Kontrolle?“
Erlaube, dass eine Antwort auftaucht – als Gefühl, Bild, Satz oder Impuls. Urteile nicht, sondern lausche. Schreibe danach frei, ohne Zensur, was aufkommt. Oft zeigt sich hier eine leise, aber klare Stimme des Vertrauens. Wiederhole diese Übung regelmäßig mit verschiedenen Fragen.


🔁 3. Die Vertrauensgeste – Eine Mikrohandlung im Alltag

Ziel: Achtsamkeit und Vertrauen konkret im Alltag verankern.

Anleitung:
Wähle eine kleine, symbolische Geste, die du jeden Tag bewusst machst – z. B. das Öffnen eines Fensters, das Trinken des ersten Schlucks Tee, das Schließen der Tür beim Gehen.
Verknüpfe diese Geste mit einem inneren Satz wie:

„Ich vertraue dem Fluss des Lebens.“
oder: „Ich weiß genug, um den nächsten Schritt zu gehen.“
Wichtig: Du brauchst nicht daran zu glauben – es reicht, es achtsam zu spüren. Diese einfache, wiederkehrende Handlung wird zum Anker für eine neue innere Haltung.

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