Es gibt Sätze, die wie Reflexe kommen. „Ich schaff das schon.“ „Passt schon, danke.“ „Anderen geht es schlimmer.“ Sie klingen harmlos, fast stark – und doch sprechen sie von einem tiefen Dilemma: Viele Menschen können keine Hilfe annehmen. Nicht, weil sie nicht gebraucht würde. Sondern weil etwas in ihnen gelernt hat, dass sie es nicht dürfen. Ich zähle mich auch dazu.
Wir leben in einer Welt, die Unabhängigkeit vergöttert. Leistung wird bewundert, Selbstgenügsamkeit belohnt. Schon als Kinder hören wir: „Reiß dich zusammen“, „Sei stark“, „Sei nicht so empfindlich.“ Und wer in Not ist, soll bitte Lösungen liefern, keine Zumutungen. In diesem Klima erscheint das Eingeständnis von Schwäche wie ein Makel. Hilfe annehmen lernen? Für viele bedeutet das: Kontrollverlust. Ein mögliches Urteil. Ein Risiko.
Was Psycholog*innen sagen
Die Psychologie kennt dafür viele Gründe. Einer davon ist Scham. Wer früh die Erfahrung gemacht hat, dass Bedürfnisse belächelt, übergangen oder gar bestraft wurden, entwickelt oft tiefe Muster des Rückzugs. „Ich muss allein klarkommen“, wird zum inneren Mantra. Auch das Gefühl, anderen zur Last zu fallen, spielt eine zentrale Rolle. Helfen ja – empfangen nein. Denn wer gibt, bleibt in der Handlungsfähigkeit. Wer empfängt, macht sich angreifbar.
Der Psychologe Dr. Stephan Grünewald spricht von einem „Selbstoptimierungsdruck“, der unsere Fähigkeit zur Kooperation zunehmend untergräbt. Hilfe anzunehmen bedeute in diesem Kontext nicht nur, Kontrolle abzugeben, sondern auch die Illusion der eigenen Souveränität zu durchbrechen. In einer Gesellschaft, die subtil ständig Wettbewerb inszeniert – um Aufmerksamkeit, Anerkennung, Wert – wird Hilfe leicht als Niederlage empfunden.
Doch das…